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Erich Erichsen ist Steuerberater aus Leidenschaft und hat das Thema „mit der Muttermilch aufgenommen“. Er wirbelt nicht nur die Steuerberater-Welt seit einigen Jahren auf, da er ein starker Verfechter der 25-Stunden-Woche ist. In diesem Interview erzählt er, warum er von diesem Modell überzeugt ist und mehr Menschen dazu inspirieren möchte, fokussierter zu arbeiten, um am Ende mehr Zeit zu haben.

In einer Branche, die auch gerne mal durch Überstunden glänzt, stößt Erich teilweise auf Unglauben oder gar Widerstand. Dabei hört sich das, was er so zu sagen hat, eigentlich recht schlüssig an.



Wie man in 25h so effektiv wie in 37,5 oder 40 oder auch 50 Stunden arbeiten kann, erzählt Erich in dieser Podcast-Folge. 

Ein paar Infos zum beruflichen Werdegang von Erich Erichsen:

  • 1999: Kanzleieinstieg in die Steuerkanzlei seines Vaters (Kanzleileitung)
  • 2006: Beraterexamen bestanden
  • 2007: Kanzleiübernahme; Fortführung in 2. Generation
  • 2017: Beginn der Digitalisierung der Steuerkanzlei – radikaler Umbruch
    • Innerhalb von 2 Jahren 80 Prozent der Mandate auf digital umgestellt
    • War der Anstoß für die 25h Woche

 

Wie bist du auf die 25h Woche gekommen?

Dort kamen im Wesentlichen drei Punkte zusammen:

  • Digitalisierungsprozess: Die Mandatszugänge konnten durch die Digitalisierung gesteigert werden. Eine Erhöhung des Personalstamms war nicht erforderlich
  • Mitarbeiterin wollte die Arbeitszeit verringern. Das wurde dann auch gemacht. Die Mitarbeiterin schaffte mit reduzierter Stundenzahl dieselbe Arbeit. Nach intensiven Gesprächen mit der Mitarbeiterin wurde klar, dass sie sicher weniger mit Kollegen unterhielt, fokussierter und intensiver arbeitete.
  • Artikel über Lasse Rheingans gelesen: Erster Unternehmer in Deutschland, der die 5h Woche bei vollem Gehalt eingeführt hat. Danach hat sich Erich das Buch „Die 5-Stunden-Revolution“ gekauft und es in einem Rutsch durchgelesen.

Anschließend fasste er den Entschluss, das Konzept auch bei seiner Steuerkanzlei umzusetzen und stellte den Plan seinen Mitarbeitern umgehend vor.

Dann ging es in die Umsetzung. Es wurde viel gelesen. Sowohl seine Mitarbeiter als auch er selbst. Bei den sogenannten „Fridays for Met“ wurde sich freitags immer über das Gelesene ausgetauscht. Nach ausgiebiger Lesephase wurde gut drei Monate später mit der Testphase begonnen. Diese ging von November 2019 bis Ende Dezember 2019. Dabei wurde von 8 Uhr bis 13 Uhr gearbeitet und ggf. an den Nachmittagen noch an den Prozessen.

Start in die 25h Woche ab Januar 2020

 

Die DATEV hatte etwas von dem Vorhaben mitbekommen und anschließend sprach Erich auf dem Digicamp in Fürth über seine Idee. Nachdem das nur eine Idee war, wurde eine Diskussionsrunde zu dem Thema gemacht. Nachdem die Idee auf dem Digicamp sehr gut angenommen wurde, folgte auch noch ein Artikel in der lokalen Zeitung.

Nach der anfänglichen medialen Aufmerksamkeit kam Corona. Dann schlief das Thema ein wenig ein. Das war so mehr oder weniger Start.

 

Wie hat sich die Entwicklung zur 25h Woche vollzogen?

Die Prozesse waren schon gut. Der Punkt ist, was macht man in den 8 Stunden, in denen man arbeitet (soziale Medien, Smartphone, private Gespräche etc.). In einem ersten Schritt wurden somit Zeitfresser definiert. Jeder musste seine persönlichen Zeitfresser benennen. Welche Themen binden Zeit, sind aber keine betrieblichen Angelegenheiten? Sind diese Themen für dich wichtig oder kannst du diese abstellen?

Alle Mitarbeiter und natürlich auch Erich haben sich dann darauf committed, die persönlichen Zeitfresser abzustellen. Ein weiterer Punkt, ist die Intensität deiner Arbeit. Das hängt mit Fokus und Konzentration zusammen. 

In der Corona-Zeit und zunehmendem Home-Office änderte sich die Meeting-Kultur. Es wurden vermehrt Zoom Meetings eingesetzt. Hier wurde nach einer kurzen Lernphase auch einiges verbessert:

  • Normale Kleidung (keine Jogginghose im Home-Office)
  • Zeiten wurden ein wenig flexibler

Was passiert, wenn Überstunden erforderlich sind oder außergewöhnliche Situationen eintreten?

Hier haben Erich Erichsen und seine Mitarbeiter folgende Vereinbarung getroffen:

  • Alle Mitarbeiter haben eine 37h Stunde. Es wird nur weniger gearbeitet
  • Wenn ein Fall fertig werden muss oder jemand krank ist, dann wird auch mal mehr gearbeitet
  • Bei außergewöhnlichen Situationen kann die 25h Woche temporär ausgesetzt werden (Committment von allen)

Neben Corona ist Erich auch eine Mitarbeiterin für 5 Monate ausgefallen. In diesem Fall konnten die anderen Mitarbeiter die Arbeit auffangen. Als Erich dann noch 5 Woche ausfiel, wurde im November und Dezember die 25h Woche kurzfristig aufgehoben.

Unterm Strich war das Jahr sehr erfolgreich. Neben der Umstellung auf die 25h Woche, der Kompensation der erkrankten Mitarbeiterin durch alle Teammitglieder sowie den Herausforderung durch die Coronakrise konnte sogar noch eine Umsatzsteigerung erzielt werden.

Immer mehr Unternehmer springen auf diese Themen auf. Erich kennt einige Steuerkanzleien, die im letzten Jahr die Arbeitszeit auf 35 Stunden pro Woche reduziert haben. 

 

Die Zeit ist reif für neue Arbeitszeitmodelle

Es ist an der Zeit, neue Wege zu gehen. Dafür muss man auch mal anecken, aber so kann man Menschen inspirieren.

Für Steuerberater die sich für das Thema interessieren, hat Erich zusammen mit einem Partner ein Mentoring Programm entwickelt. Er hat auch noch ein paar Tipps, mit welchen Fragen man sich am besten diesem Thema nähert:

  • Will ich eigentlich so wie es jetzt gerade ist, immer weiterarbeiten? Will ich 60 Stunden / Woche arbeiten?
  • Warum tue ich das? Warum will ich 60 Stunden / Woche arbeiten?
  • Was könnten die Vorteile sein, wenn ich weniger arbeite? Wenn ich mich besser strukturiere?
  • Was könnten die Vorteile sein, wenn ich für meine Mitarbeiter eine 30h/Woche einführe?
  • Kann ich mir das überhaupt vorstellen?

Anschließend müssen auf jeden Fall die Mitarbeiter mit ins Boot geholt werden. Denn ohne Mitarbeiter kann das definitiv nicht funktionieren. Alle Mitarbeiter müssen mitziehen! Das Committment muss von allen erfolgen.

Wenn alle Mitarbeiter mitziehen, dann macht dieser Prozess auch sehr viel Spaß. Erich sorgt auch durch weitere Angebote für eine hohe Zufriedenheit bei seinen Mitarbeitern (Tablets, Sporttrainer, usw.)

Die Kultur ist wesentlich für den Erfolg

Für Erich steht es außer Frage, dass die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen, der Kultur und den Werten eine zentrale Rolle spielt.

Dies schlägt sich auch in der mutigen Sprache (sowie Logo, Design und Layout) nieder, wie z.B. sehr schön auf seiner Website zu sehen ist:

  • GEMEINSAM ROCKEN WIR STEUERN
  • Mach du dein Ding, wir machen deine Steuern
  • Sei keine Bangbüx!
  • Schnacken gegen Missverständnisse

Im Gespräch wird klar, wie wichtig Erich Authentizität und Leichtigkeit ist. Auch das Hinterfragen spielt für ihn eine wichtige Rolle und stellt sich regelmäßig Fragen wie: Passt den noch alles? Bist du klar mit dir?

 

Fazit zu unserem Gespräch mit Erich Erichsen zur 25h Woche

Erich hat uns sprachlos gemacht :). Wir bedanken uns ganz herzlich bei Erich für seine Zeit und die tollen und inspirierenden Einblicke in sein Unternehmen und seine Philosophie, die er uns gewährt hat.

„Wir sind nicht dazu da, anderen zu gefallen. Am Ende des Tages musst du mit dir im Reinen sein.“ – Erich Erichsen